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Sind Gemeinschaftsstunden unbedingt notwendig?

 

„Ich bin Pächterin eines Kleingartens. Weil ich mit über 80 Jahren keine Gemeinschaftsstunden mehr leisten kann, verlangt der Kleingartenverein von mir für jede nicht geleistete Gemeinschaftsstunde eine finanzielle Vergütung."  "Ich bin über 70 Jahre und habe meinen Garten fast 40 Jahre. Der Vorstand verlangt, dass ich sechs Stunden Pflichtarbeit leiste. Ich denke, dass ich schon genug für den Verein gemacht habe. Warum verlangt der Vorstand das von mir und welche rechtlichen Grundlagen ermächtigen ihn?" "Ich bin berufstätig, ich kann zu den genannten Terminen nicht erscheinen. Bin ich befreit?""

Diese und ähnliche Fragestellungen werden immer wieder an die Vorstände der Kleingärtnervereine (KGV) herangetragen.

Jeder Gartenfreund sollte zunächst einmal die Einsicht aufbringen, dass ein KGV in seiner Doppelfunktion als Verein (Organisationsform aller in ihm vereinten Gartenfreunde) und als Betreiber einer Kleingartenanlage (KGA) neben Mitgliedsbeitrag und Pacht ohne weitere finanzielle Leistungen (Umlagen und andere satzungsgemäß zu leistenden finanziellen Zahlungen) sowie sonstige Gemeinschaftsleistungen seiner Mitglieder und Pächter seine vielfältigen Verpflichtungen und selbst gestellten Aufgaben nicht erfüllen kann.

Als sonstige Gemeinschaftsleistungen sind jene erforderlichen körperlichen und/oder geistigen Tätigkeiten zur Errichtung, Erweiterung, Erneuerung, Instandhaltung, Verschönerung der Gemeinschaftsflächen und Gemeinschaftsanlagen/-einrichtungen der KGA und zu deren Schutz ebenso zu nennen, wie alle notwendigen Tätigkeiten zur Gewährleistung des Funktionierens und der Entwicklung des KGV einschließlich der Gestaltung des Vereinslebens (wie Vorstandstätigkeit, Fachberatung, Ausgestaltung von Vereinsveranstaltungen u.a.m.).

Diese Gemeinschaftsleistungen werden vielfach ganz allgemein als Arbeitsleistungen, Arbeitseinsätze, Dienstleistungen, Pflichtstunden oder als Gemeinschaftsstunden bezeichnet.

In Anlehnung an die Begriffswahl des Gesetzgebers (siehe § 9 Abs. 1 Ziff. 1 BKleingG) werden diese Leistungen in den Vereinssatzungen, im Kleingartenpachtvertrag und in Führungsdokumenten der KGA richtigerweise begrifflich als Gemeinschaftsleistungen bezeichnet. Es sind keine zu erbringenden Leistungen schlechthin, sondern Leistungen für die Gemeinschaft (!) der Vereinsmitglieder und Kleingartenpächter und somit auch für das Ansehen des Vereins in der Öffentlichkeit, was wiederum mehr ist als der gewonnene Eindruck seitens der Gäste und Besucher der KGA.

Nach Gesetzeslage (siehe auch § 58 BGB), Rechtsprechung und herrschender Rechtsmeinung ist jeder Verein, so auch der KGV, berechtigt, von seinen Mitgliedern und Pächtern finanzielle und sonstige Gemeinschaftsleistungen zu verlangen. Ob und in welchem Umfang der KGV von seinen Mitgliedern und Pächtern Gemeinschaftsleistungen verlangt, hängt immer von den tatsächlichen Erfordernissen ab. Insofern können die Festlegungen in den KGV voneinander abweichen und den Erfordernissen angepasst werden.

Entscheidend für die Begründung einer solchen Pflicht ist, dass sie sich unmittelbar (!) aus der Vereinssatzung und den dem Kleingartenpachtverhältnis zugrundeliegenden Dokumenten ergibt.

Ob und unter welchen Bedingungen der KGV Mitglieder und Pächter, z.B. unter Berücksichtigung von Lebensalter, Gesundheitszustand, anderer in der Person liegender Umständen, Verdiensten für den KGV, von Gemeinschaftsleistungen (auf zu begründendem schriftlichen Antrag) befreit werden, unterliegt ausschließlich dessen Kompetenz. Bedenklich sind solche pauschalen Beschlüsse: „Alle Vereinsmitglieder, die 75 Jahre und älter sind, sind von der Teilnahme an der Gemeinschaftsarbeit befreit".

Es gibt folglich für kein Vereinsmitglied und keinen Pächter einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Befreiung von Gemeinschaftsleistungen. Es gibt auch für kein Vereinsmitglied oder Pächter ein Recht, sich eine Aufgabe selbst auszuwählen bzw. für sich selbst zu bestimmen, was für ihn „sinnvoll", körperlich machbar ist und zu welchem selbst bestimmten Zeitpunkt er seiner Pflicht nachkommt.

Obwohl Gemeinschaftsleistungen für den Kleingärtnerverein unverzichtbar sind, werden sie von einigen Vereinsmitgliedern und Pächtern aus unterschiedlichsten Gründen ebenso abgelehnt wie finanzielle Vergütungen für nicht geleistete Gemeinschaftsstunden. Wie ist zu verfahren?

Auf die Verpflichtung seiner Vereinsmitglieder und Pächter zu körperlichen und/oder geistigen Tätigkeiten (sonstige Gemeinschaftsleistungen) kann der Kleingärtnerverein (KGV) nicht verzichten.

Dabei bleibt oft ein weiterer wichtiger Aspekt unerwähnt. Bezweckt wird mit der gemeinschaftlichen Verrichtung für den KGV notwendiger (!) körperlich/geistiger Tätigkeiten zugleich das Bestreben nach Kollektivbildung und –festigung sowie der Ausprägung des Gemeinschaftssinnes für das Ganze - den KGV und seine KGA !

Auch aus diesem Aspekt kann es nicht vorschnell um die Befreiung von Gemeinschaftsleistungen gehen, was für leistungswillige Gartenfreunde trotz Alters, Gebrechen u.ä. verletzend empfunden werden kann! Das gemeinsame Verrichten von Vereinsaufgaben ist und bleibt eine der wichtigsten Formen des Vereinslebens. Vielmehr geht es um das gemeinsame Suchen nach Möglichkeiten der Leistungserbringung. Die Praxis zeigt, dass die KGV ernsthaft bemüht sind, nach „Lösungshilfen" zu suchen, so auch körperlich leichte Tätigkeiten anzubieten, die es jedem Gartenfreund ermöglichen, seiner Pflicht nachzukommen. Doch auch hier werden aus einer fehlerhaften Bewertung der Sach- und Rechtslage oder aus in der Person liegenden Umständen Angebote seitens des Leistungsverpflichteten abgelehnt. Nicht nur der Vorstand ist gehalten, nach Möglichkeiten der Leistungserbringung zu suchen. Die Initiative muss auch von dem Vereinsmitglied/ Pächter ausgehen.

An dieser Stelle soll auch darauf verwiesen werden, dass kein Vereinsmitglied oder Pächter ohne schriftlichen Antrag und ausdrücklicher Zustimmung des zuständigen Vereinsorgans berechtigt ist, sich durch andere Vereinsmitglieder/Pächter oder durch in seinem Haushalt lebende Personen oder durch andere Personen vertreten zu lassen. Diese Rechtsposition zu beziehen ist geboten, um in Schadensfällen den KGV von Forderungen Dritter aus Schadensereignissen im Zusammenhang mit Arbeitseinsätzen zu schützen. Der KGV sollte bei solchen Ansinnen vor Erlaubniserteilung immer gewissenhaft prüfen, welcher Personenkreis und in welchem Umfang aus bestehenden Versicherungsverträgen Versicherungsschutz gewährt wird.

 

Rechtlich zulässig und durch die Rechtsprechung wiederholt bestätigt ist, dass der KGV berechtigt ist, für im Geschäftsjahr nicht erbrachte Gemeinschaftsleistungen eine finanzielle Vergütung – auch als Ersatzbetrag bzw. ersatzweise zu erbringende Geldleistung bezeichnet – zu verlangen. Regelungen in den Satzungen der KGV und in den Kleingartenpachtverträgen haben folglich ihre Legitimität. Inwiefern der KGV auf schriftlichen Antrag die fällige finanzielle Vergütung für nicht geleistete Gemeinschaftsleistungen mindert, teilweise oder völlig erlässt, obliegt seiner Entscheidung. Geldbeträge von 20,00 € für jede nicht geleistete Stunde sind in der Rechtspraxis zulässig und üblich.

Aus dieser Rechtslage können Vereinsmitglieder oder Pächter jedoch nicht ableiten, dass sie selbst entscheiden, ob sie Gemeinschaftsleistungen im Rahmen von Arbeitseinsätzen oder finanzielle Leistungen erbringen. Jeder Gartenfreund ist gerufen, sich für die Einhaltung der sich aus der freiwilligen Mitgliedschaft im KGV und dem freiwillig begründeten Kleingartenpachtverhältnis mit dem KGV ergebenden Pflichten zu Gemeinschaftsleistungen einzusetzen und selbst Vorbild zu sein. Die Verweigerer von Gemeinschaftsleistungen sollten mögliche rechtliche Konsequenzen nicht übersehen:

 

„Der Verpächter kann den Kleingartenpachtvertrag kündigen, wenn der Pächter ... geldliche oder sonstige Gemeinschaftsleistungen verweigert (§ 9 Abs. 1 Ziff.1 BKleingG).

 

 

Urteil des Amtsgerichts Stollberg vom 21.05.1996 Az. 1 C 1215/95

Der Verein darf nicht nur Pflichtstunden festsetzen, er darf auch eine Vergütung für nicht geleistete Stunden verlangen. Deren Höhe dürfe mindestens dem Stundenlohn eines Arbeiters in der freien Wirtschaft entsprechen (AG Stollberg, 1996). Mit der Verweigerung der Gemeinschaftsarbeit würde dem Verein ein wirtschaftlicher Schaden zugefügt; er müsse in die Lage versetzt werden, sich die Leistung notfalls auf dem freien Markt zu kaufen. Der Verein dürfe die Ablösesumme sogar noch höher setzen, denn im Vereinsinteresse liege, dass die Arbeit geleistet und nicht primär der Geldbetrag entrichtet wird.

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